Ich bin - das Bewusstsein. Singen

Die Planeten im All erzeugen Schallwellen. Für mich, das Bewusstsein, klingt das wie Musik. Höhlen, Wälder, sogar Wüsten bilden Resonanzräume mit einzigartigen Klangwelten. Die Menschen schaffen mit Gesang einen Raum für Gefühle und Zusammengehörigkeit.
Als Cassie von der Arbeit in der Uni zurückkommt, sitzt ihr Bruder Jonas auf dem Sofa, schaut fern und scrollt auf dem Handy.
Sie geht zu ihm. „Wie war dein Tag?“, will sie wissen.
„Schrecklich. Therapien, Muskelentspannung, anstrengende Menschen. Ich weiß nicht, ob ich davon gesund werde.“
„Es war der erste Tag in der Tagesklinik. Du wirst dich sicher daran gewöhnen.“
Jonas hört sie nicht, denn er ist nur mit den flüchtigen Inhalten auf seinem Handy verbunden. Den Rest der Welt, auch seine Schwester, hält er auf Distanz. Cassie fühlt sich zurückgewiesen. Sie fragt ihren Bruder, ob er Gemüseauflauf mag. Mag er nicht. Sie ist beleidigt, macht den Auflauf aus Trotz und schiebt ihn in den Backofen.
Wenn sie nur wüssten, was ich weiß. Jonas ist in den Symptomen seines Burn-Outs gefangen und fühlt sich überfordert. Das unverbindliche Scrollen gibt ihm etwas Halt, aber nicht genug, um sich gut zu fühlen. Es würde sein Nervensystem beruhigen, wenn Cassie mit ihm sitzen und atmen würde. Sie fängt meine Botschaft auf, versucht, einfach da zu sein, aber sie kann ihm keine Ruhe vermitteln. Anstatt, dass er sich beruhigt, wird sie nervös. Ihr Blick flattert durch den Raum und ich lenke ihn auf ihre Gitarre.
Sie holt das Instrument und stimmt die eingängigen Töne von "Love like blood" an. Plötzlich sieht er von seinem Handy auf. „Die Melodie geht ganz anders“, sagt er vorwurfsvoll. Cassie erinnert sich, dass sie sich immer über dieses Stück gestritten haben, weil sie ihre eigene Version auf Basis der Basslinie kreiert hat.
„Lass hören“, schmunzelt sie und beginnt von vorn. Er hat schon ewig nicht mehr gesungen und muss die richtige Tonhöhe finden. Obwohl er den Song vor 35 Jahren das letzte Mal gehört hat, kennt er den Text auswendig. Die erste Strophe ist noch ein Suchen nach seiner Stimme. Den Refrain singt er schon sicherer. Er wirkt lebendiger und fröhlicher.
Seine Schwester stimmt ein weiteres Lied aus ihrer Jugend an. Sie singen und spielen wie früher, ausgelassen und glücklich. Er macht den Fernseher aus, steht vom Sofa auf und performt, als wäre er auf einer Bühne. Sie musizieren, bis das Klingeln der Küchenuhr anzeigt, dass der Auflauf fertig ist. „Magst du Gemüseauflauf?“, fragt sie erneut.
„Ja, wenn kein Spinat drauf ist.“
Sie schüttelt den Kopf und gemeinsam decken sie den Tisch. Beim Essen unterhalten sie sich über die Bands ihrer Jugend. Sie wollen mal wieder auf ein Konzert gehen und kaufen online Tickets. Den Abend verbringen sie damit, die Songs der Band zu üben, damit sie beim Konzert mitsingen können. Sie haben sich über die Musik nicht nur miteinander, sondern auch mit ihrer Vergangenheit und vielen anderen Fans weltweit verbunden. Das stärkt sie beide mehr, als ihnen klar ist.
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