Ich bin - das Bewusstsein. Schande

Im Universum gibt es Kometen, die auf Kreisbahnen ziehen. Das kann ich, das Bewusstsein, gut sehen. Auf der Erde fliegen Vogelschwärme regelmäßig vom Sommer- zum Winterquartier. Bei den Menschen kehren unverarbeitete Gefühle immer wieder zurück.

Professorin Cassie hat Streit mit einem Doktoranden, der noch am Anfang seiner Doktorarbeit steht. Sie rät ihm weniger polemisch und aktivistisch zu argumentieren. Doch er will seinen Stil nicht ändern. Er stellt sich aufgebracht vor ihren Schreibtisch, wirft ihr Arroganz und elitäres Verhalten vor. Sie sei eine Schande und solle sich schämen! Cassie ist immer bereit zu diskutieren, doch plötzlich ist ihr Geist wie vernebelt. Sie verweist den jungen Mann ihres Büros. Als er draußen ist, geht sie ein paar Schritte, streckt sich und atmet, aber sie kann sich nicht beruhigen.

Wenn sie nur wüsste, was ich weiß. Nicht, der Streit hat ihr zugesetzt. Es ist die Aufforderung sich zu schämen, die etwas sehr Tiefsitzendes, Altes in ihr berührt, das mit ihrer Urgroßmutter zu tun hat. Meine Botschaft kommt bei Cassie an. Sie erinnert sich an eine Geschichte über ihre Urgroßmutter, die sie nie kennengelernt hat. Es ist eine Anekdote, die Cassie und ihre Tochter oft von ihrer Mutter und Großmutter gehört hat. Die Urgroßmutter war als junge Frau unehelich schwanger geworden und wollte „ins Wasser gehen“, heißt, sich umbringen. Glücklicherweise hatte der werdende Vater ihr rechtzeitig einen Heiratsantrag gemacht.

Plötzlich fällt Cassie auf, dass Menschen, vor allem Frauen, seit einigen Jahren in den Sozialen Medien zunehmend auf diese Weise beschimpft werden. Sie hatte es bisher nicht hinterfragt, aber jetzt versteht sie es. Viele Menschen benutzen diese Beschuldigungen unbewusst, aber bei den Angesprochenen löst das eine ganz alte Angst aus. Wenn die Angst vor Schande Frauen früher dazu gebracht hat, sich mit ihren ungeborenen Kindern umzubringen oder die Familie zu verlassen, hat sie heute das Potenzial, die Angesprochenen mundtot zu machen oder die Doktorarbeit besser zu bewerten. Es ist eine kluge Taktik, die Ängste, die seit Generationen in den Frauen schlummern, wieder ans Licht zu holen. Kaum eine Frau wird bemerken, warum sie sich plötzlich eingeschüchtert und ängstlich fühlt. Und kaum ein Angreifer wird wissen, was genau seine Beschimpfung so wirkungsvoll gemacht hat.

In der Mensa sieht sie den jungen Doktoranden allein an einem großen Tisch. Sie stellt ihn vor die Wahl. Er wird die Arbeit nach den Maßstäben der Uni schreiben oder sich an einer anderen Uni eine neue Promotionsbetreuung suchen. In ihrem Fachbereich wird niemand ihn mehr betreuen. Außerdem wird er nie wieder eine Frau damit beschimpfen, dass sie eine Schande sei und sich schämen solle. Der junge Mann ist den Tränen nah, aber das nimmt Cassie in Kauf. Diese Situation hat eine Lektion für sie beide und sie wird ihm seinen Teil nicht ersparen. Die beiden schaffen gerade Raum dafür, dass noch mehr Menschen dieses Generationen-Thema erkennen und in sich selbst lösen können.

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