Ich bin - das Bewusstsein. Ordnung

Das Universum sieht friedlich aus, dabei ist es aus dem Chaos entstanden. Die Erde entwickelt sich ebenfalls chaotisch. Das wird für die Menschen immer anstrengender, denn sie brauchen für ihr Wohlbefinden Ordnung und Freiraum.
Cassie sitzt traurig in ihrem Wohnzimmer. Die Wohnung, in der sie seit zwanzig Jahren lebt, ist zu groß und still, seitdem ihre Kinder aus dem Haus sind. Wehmütig lässt sie den Blick über die große Regalwand schweifen. Alles ist ihr seit Jahren vertraut. Gleichzeitig kann sie sich hier nicht mehr entspannen.
Wenn sie nur wüsste, was ich weiß. Als die Kinder noch da waren, gehörte all das zur Gegenwart. Jetzt zieht jedes einzelne Objekt sie in die Vergangenheit. Cassie fängt meine Botschaft auf. Sie lächelt, als sie die schiefe Tasse sieht, die ihre Tochter in der Grundschule getöpfert hat. Stolz steigt in ihr auf, als ihr Blick auf die Blechpokale fällt, die ihr Sohn als Leichtathlet gewonnen hat. Sie muss lachen, als sie das Gesellschaftsspiel entdeckt, bei dem sie ihre eigenen Regeln erfunden haben, damit es mehr Spaß macht. Die Vergangenheit war gut. Die Erinnerungen lösen schöne Gefühle aus, auf die will sie nicht verzichten. Sie will nichts wegräumen, sondern ihre Vergangenheit mithilfe der Erinnerungsstücke ehren.
Trotzdem hat sie den Impuls, die Sachen wegzustellen. Sie ist innerlich zerrissen. Sie glaubt, dass ihre Kinder sich nicht mehr willkommen fühlen würden. Andererseits will sie in ihr eigenes Leben aufbrechen, Raum für ihre eigene Zukunft schaffen. Das wird nicht gehen, wenn sie in der Vergangenheit bleibt. Seufzend holt sie fünf Umzugskartons aus dem Keller. Ohne groß nachzudenken packt sie alle Bücher, Spiele, DVDs und Deko-Objekte hinein.
Dann setzt sie sich wieder hin. Während sie den Blick über die leeren Regale schweifen lässt, fühlt sie sich einsam und leer. Sie weiß nicht, womit sie diesen großen Regalschrank wieder füllen soll. Der Gedanke macht ihr Angst. Sie nimmt sich vor, diesen Zustand für zehn Sekunden auszuhalten. Also zählt und atmet sie. Vor ihrem inneren Auge stehen alle Bücher, DVDs und Spiele noch dort. Sie kann das innere Bild nicht loslassen. Sie kann nicht annehmen, dass die Regale ebenso leer sind, wie ihre Wohnung.
Sie will alles wieder einräumen, aber sie tut es nicht. Sie zwingt sich, die Leere auszuhalten und zu atmen. Dann kommt ein neuer Gedanke hoch. Sie hat nun mehr Zeit für ihre eigenen Hobbys. Sie wollte schon immer einen festen Platz für ihre Yogamatte und ihr schönes Meditationskissen haben. Das würde genau dort hinpassen, wo jetzt das große, leere Regal steht. Wenn sie das abbauen würde, könnte sie den Esstisch anders hinstellen und Gäste daran bewirten. Langsam nimmt die Vision von ihrem neuen Wohnzimmer Formen an. Ihre Laune bessert sich merklich.
Sie holt ihr Werkzeug und beginnt, den leeren Schrank abzubauen. Schließlich steht sie zufrieden in einem großen Raum. Er ist ihr vertraut und doch neu. Er gibt ihr Sicherheit und Offenheit für Neues. Sie weiß noch nicht genau, wie sie alles gestalten wird, aber die Richtung ist klar. Sie empfindet das Wohnzimmer plötzlich als sehr stimmig und spürt eine neue Ruhe in ihrem Körper. Der Raum bildet ihre neue Realität ab und die ist gar nicht mal schlecht.
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