Ich bin - das Bewusstsein. Mitgefühl

Im Weltall gibt es schwarze Löcher. Bereiche, deren Schwerkraft so dicht ist, dass nicht einmal Licht herausdringt. Auf der Erde gibt es Meeresstrudel von bis zu 150 Kilometern Durchmesser, die sich durch die Ozeane bewegen und nicht einmal Wasser hinauslassen. Beim Menschen gibt es blinde Flecken im Bewusstsein, wenn Situationen nicht verarbeitet werden konnten. Sie werden erst durch Interaktion mit der Umwelt herausgelassen.

Cassie verlässt ihren Arbeitsplatz an der Uni. Sie hatte einen erfolgreichen Tag und pfeift den aktuellen Sommerhit vor sich hin. Da wird sie Zeugin, wie eine Studentin nur ein paar Meter von ihr entfernt, mit dem Fahrrad hinfällt. Cassie bleibt wie erstarrt stehen, das Lächeln und Pfeifen ist ihr vergangen. Sie ist mit ihren Gedanken anderswo, nimmt es aber nicht wahr, sondern ist wie benebelt.

Wenn sie nur wüsste, was ich weiß. Sie ist als zehnjährige Schülerin mit dem Fahrrad auf dem Schulhof gestürzt. Alle haben gelacht, niemand hat ihr geholfen. Sie konnte nicht aufstehen, weil ihr Knie schmerzte und das Fahrrad halb auf ihr lag. Es dauerte ewig, bis sie sich allein aus dieser misslichen Situation befreien konnte. Sie hatte die Tränen runtergeschluckt und ist nach Hause gehumpelt, während ihr Knie blutete. Cassie fängt meine Botschaft auf und erinnert sich plötzlich wieder. Sie geht zu der Studentin, doch ihr Kollege Anton ist schneller und hilft der jungen Frau auf. Er sieht die Studentin mitfühlend an. Obwohl sein Blick nicht auf Cassie gerichtet ist, fühlt sie sich plötzlich gesehen und angenommen. Seine Worte der Fürsorge und des Trostes treffen sie ins Mark.

Die schmerzhafte Erfahrung der zehnjährigen Cassie und Antons Mitgefühl gegenüber der Studentin verbinden sich. Die Gegenwart legt sich über die Vergangenheit. Cassies beschämende Erinnerung wird überschrieben von einer Geschichte, in der Anton der Kleinen hilft und für sie da ist. Cassies Gehirn hat keinerlei Probleme damit, die neue, tröstliche Geschichte abzuspeichern. Dass sie nicht wahr ist, hat hier keine Bedeutung. Cassies Stimmung wird wieder besser. Sie hebt das Fahrrad auf und richtet den leicht verbogenen Lenker mit geübtem Griff. Die Studentin nimmt alles an und fährt mit einem dankbaren Lächeln davon.

„Was ist denn gerade mit dir passiert“?, will Anton wissen.“ Erst hast du abwesend gewirkt und dann ganz präsent“.

Cassie lächelt. „ Ich hatte auch mal so einen Sturz, da war ich zehn. Ein Professor hat mitfühlend mit mir geredet und eine Professorin hat mein Fahrrad in Ordnung gebracht“.

Anton sieht sie schmunzelnd und wissend zugleich an. „Das hast du dir gerade ausgedacht.“

„Nein, ich habe gerade meine Erinnerung zum Guten umgeschrieben. Genaugenommen hast du das getan mit deinem offen zur Schau gestellten Mitgefühl. Wie könnte ich mich dem entziehen.“

Er lacht laut auf. „Es war mir eine Ehre und eine Freude.“

Cassie boxt ihm freundlich gegen die Schulter. „Danke.“

Gemeinsam verlassen sie den Campus. Sie fühlen sich gut, denn sie haben die Welt von Cassie und der jungen Studentin gerade nachhaltig verbessert.

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