Ich bin - das Bewusstsein. Hoffnung

Das Universum kennt keine Zeit. Das weiß ich, das Bewusstsein, ganz genau. Für Lebewesen verläuft die Zeit linear. Die Tiere auf der Erde speichern ihre Vergangenheit in Instinkten und Reflexen. Die Menschen sind sich sogar einer möglichen Zukunft gewahr. Sie knüpfen viele Hoffnungen daran.
Cassie ist seit vielen Jahren geschieden und lebt allein. Sie hat zwar Männer kennengelernt, konnte aber keine Beziehung vertiefen. Es kam immer schnell zum Streit. Dennoch will sie die Hoffnung nicht aufgeben. Nun sitzt sie mit einem gleichaltrigen Mann in einem Café. Sie haben sich bei einem Kongress kennengelernt und sofort gut verstanden. Cassie hofft, die inspirierenden, harmonischen Gespräche fortsetzen zu können.
Wenn sie nur wüsste, was ich weiß. Ihre hoffnungsvollen Fantasien klammern das aus, womit sie sich eigentlich beschäftigen müsste. Sie fängt diese Botschaft auf. Als Philosophie-Professorin weiß sie, dass die Hoffnung nicht in allen Kulturen positiv bewertet wird. Nietzsches Deutung kommt ihr in den Kopf. Er lehnt das Konzept der Hoffnung ab, weil sie die Menschen in ihrer Qual festhalte. Mehr noch, die Hoffnung würde sie daran hindern, sich einer quälenden Realität zu stellen und sich aus ihr zu befreien. Cassie würde sich gern aus ihrer Beziehungslosigkeit befreien, aber wie soll das gehen, ohne die Hoffnung?
Sie erinnert sich an eine Konfliktsituation, von der sie hofft, sie nie wieder erleben zu müssen. Plötzlich wird ihr klar, dass sie die mit jedem ihrer Dates durchgemacht hat. Ihre Tochter würde sagen, dass sie die Situation immer wieder inszeniert, damit sie sie endlich verarbeiten kann. Dem stimme ich zu. Cassie stutzt. Verursacht sie das etwa selbst? Der Gedanke schmerzt, aber dieses Mal flüchtet sie nicht in die Hoffnung. Sie sieht den Mann, der ihr gegenübersitzt, aufmerksam an. Er erinnert sie an ihren Exmann. Selbstsicherheit, Charme und Intelligenz wirken schon immer attraktiv auf sie. Doch sobald das in Überheblichkeit kippt, wird sie wütend und es kommt zum Streit. Sie denkt an all die Männer, mit denen sie ausgegangen ist, und erkennt ein Muster. Auch jetzt, während der Mann wortreich und spannend Geschichten erzählt, fühlt sie sich eingeengt. Sie hat das Bedürfnis, sich wieder Platz zu verschaffen und ist kurz davor, einen Streit anzufangen. Die Erkenntnis, dass Cassie es ist, die diese Streitigkeiten anfängt, trifft sie unerwartet. Nun sieht sie ihren Gegenüber mit anderen Augen. Er will Cassie gefallen, zeigt sich selbst in dieser langen, schönen Rede. Als ihr das bewusst wird, fühlt sie sich nicht mehr eingeengt. Sie kann ihm interessiert zuhören. Nachdem er die Geschichte beendet hat, nimmt er einen großen Schluck Wein, wirkt verunsichert. Cassie staunt. Wenn sie ihre früheren Erfahrungen ausblendet, sitzt sie einem komplett Fremdem gegenüber. Es gibt so viel über ihn zu erfahren. Sie stellt neugierige Fragen. Beide werden lockerer und ein schöner Abend endet mit einer Verabredung für die Zukunft. Cassie merkt, dass sie in wenigen Minuten eine große Entwicklung gemacht hat, die sich positiv auf ihre zukünftigen Beziehungen auswirken wird.
Deine Anmerkung zu diesem Beitrag?