Ich bin - das Bewusstsein. Einstimmen
Im Universum werden Informationen mit Radiowellen transportiert. Das höre ich, das Bewusstsein, immerzu. Auf der Erde werfen Berge Schallwellen als Echos zurück. Die Menschen bauen Musikinstrumente, Radios und Verstärker.
Professorin Cassie empfängt in ihrem Büro eine fleißige, aber schüchterne Studentin, die sie schon seit ein paar Jahren kennt, zu einer mündlichen Prüfung. Die junge Frau ist blaß. Cassie bietet der Studentin einen frisch gebrühten Kräutertee an. Die junge Frau nickt mit abwesendem Blick. Cassie hat schon viele Arten von Prüfungsstress erlebt, Blackouts, Wissensexplosionen und auch diese Art von stressbedingter Abwesenheit. Sie beobachtet die junge Frau, während sie zwei Tassen Tee eingießt.
Wenn sie nur wüsste, was ich weiß. Die Studentin ist wie gelähmt, weil sie sich auf dem Weg zur Uni an eine frühere Prüfung erinnert hat, in der sie für ihre Schüchternheit gedemütigt wurde. Obwohl die Studentin Cassie als freundliche Professorin kennt, kann sie den Schrecken aus der Vergangenheit nicht abschütteln. Die Professorin könnte das fühlen, wenn sie sich auf die junge Frau einstimmen würde.
Cassie fängt meine Botschaft auf. Über ihre Spiegelneuronen spürt sie die Brustschmerzen der Studentin wie ein Echo in ihrem eigenen Körper. „Können Sie mich sehen?“, fragt Cassie leise.
„Nein“, flüstert die Studentin.
Cassie erinnert sich an eine ähnliche Situation. Sie bitte die junge Frau, die heiße Teetasse in die Hand zu nehmen und an dem Tee zu riechen. Die junge Frau kommt durch die Hitze an ihren Fingern und ihrer Nase ins Hier und Jetzt zurück. Sie bemerkt die Ruhe und Präsenz der Professorin und fängt deren freundlichen Blick auf.
„Atmen Sie. Was immer Sie gerade durchmachen, geben Sie dem Raum. Ich bin bei Ihnen.“ Die Brustschmerzen, die Cassie von der jungen Frau gespiegelt werden, lassen nach. Beide können besser atmen. Die Augen der jungen Frau werden wieder klar. Sie kehrt aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurück.
„Wissen Sie, wo Sie sind?“, will Cassie wissen.
„Ja, ich bin in Professor Cassandra Meyers Büro, um meine mündliche Philosophie-Prüfung abzulegen.“ Sie erkennt, dass ihr hier keine Demütigung droht. Ihre Gesichtszüge entspannen sich. „Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ich war eben gedanklich in eine frühere Prüfung gerutscht, aber jetzt bin ich wieder da und möchte anfangen.“
Die Studentin ist wie ausgewechselt. Ihr Wissen und ihre Klugheit treten aus dem Schatten ihrer Schüchternheit hervor. Die Professorin kann ihr guten Gewissens eine 1,0 geben.
Doch das größte Geschenk ist die Erfahrung des Mitgefühls und der Geduld, die ihr die Professorin entgegengebracht hat. Das wird die junge Frau ihr ganzes Leben lang begleiten.
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